Dienstag, 31. August 2010

State of the Land (30)


Foto: Auch die Obdachlosen mussen im "Land of Plenty" immer einfallsreicher werden, um zu überleben ("Schaffen Sie es, mit der Münze in diesen Becher zu treffen?")

16.8.2010, Wien

Der „Spiegel“ berichtet über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den USA und belegt mit eindrucksvollen und erschreckenden Zahlen, was für uns Besucher als vager Eindruck entstanden ist. Jeder achte US-Amerikaner und jedes vierte Kind lebt von staatlichen Essensmarken. 17 % der Bevölkerung sind entweder direkt arbeitslos oder können sich von ihren Tagesjobs nicht ausreichend ernähren. Und die deutliche Mehrheit erwartet, dass es ihren Kindern schlechter gehen wird als ihnen selbst. Wo ist der sprichwörtliche Optimismus der Amerikaner geblieben? Ist die wieder steigende Konsumlust nur der Versuch, noch einmal auf den Putz zu hauen, bevor das Haus auseinanderbröckelt?

Seit den 70er Jahren stagniert das durchschnittliche Einkommen arbeitender Männer bei 45.000 $, während sich jenes der Top-Verdiener seither verdreifacht hat. Wie lange hält sich hier noch der Glaube, dass es jeder mit harter Arbeit bis ganz nach oben schaffen kann? Immerhin ist dies eine der Grundbedingungen für den sozialen Frieden im Land.

Natürlich gibt es sie noch: die Geschichten vom märchenhaften Aufstieg armer US-Amerikaner zum Millionär. Doch in dem Land, in dem der Mythos des sozialen Aufstiegs („Vom Tellerwäscher zum Millionär“) eine der tragenden Säulen der Gesellschaft ist, wird das offenbar immer schwieriger.

Die „New York Times“ („NYT“) berichtet von fünf großen Studien in der jüngeren Vergangenheit, die zum selben Schluss gekommen seien: Die soziale Mobilität in den USA sei geringer als in Kanada und selbst in Westeuropa. „Es wird immer mehr zu einer Binsenweisheit, dass es in den USA weniger soziale Mobilität gibt als in anderen Industrieländern“, so die Wirtschaftswissenschaftlerin Isabel Sawhill.

Politisch ist das vor allem für die Republikaner brisant. Sie hätten seit jeher die Kritik der Demokraten an den ungewöhnlich hohen Einkommensunterschieden mit dem Hinweis darauf abgeschmettert, dass die soziale Mobilität - also die Aufstiegschancen des Einzelnen - besonders hoch sei, so die „NYT“.

Der schwedische Ökonom Markus Jantti habe in einer Untersuchung herausgefunden, dass 42 Prozent der männlichen US-Amerikaner, die im untersten Fünftel der Einkommensstufe groß wurden, diese Gruppe nie verlassen. Das ist ein signifikant höherer Grad als etwa in Dänemark (25 Prozent).

Aber auch in Großbritannien, das für Spannungen zwischen den sozialen Schichten bekannt ist, lag der Wert bei „nur“ 30 Prozent. Nur acht Prozent der Angehörigen der untersten Schicht in den USA schafften den Aufstieg ins oberste Fünftel - in Großbritannien waren es immerhin zwölf und in Dänemark 14 Prozent.

Einer der Gründe könnte sein, dass das Armutsniveau in den USA besonders niedrig ist, wodurch es der nächsten Generation entsprechend schwerer fällt, dieses Niveau hinter sich zu lassen, so die „NYT“. Ein anderer möglicher Grund: die hohen Kosten, die Familien privat für die Ausbildung ihrer Kinder aufbringen müssen. Das verstärkt die Schere zwischen den sozialen Schichten noch mehr.


Andererseits spart man in Hawaii am Freitag die Schule ein, in Teilen Georgias wurde der öffentliche Busverkehr eingestellt und in Colorado Springs kann man sich sogar den Strom für die Strassenlaternen nicht mehr leisten. Das ist nicht mehr das „Land of plenty“. Es ist zwar noch immer die Nation, die auf alle anderen herabblickt und ihr eigenes Modell für überlegen hält, aber belegen lässt sich dies immer schwerer.

Unsere Eindrücke von fehlender Infrastruktur, nur in Ballungsgebieten vorhandenen Mobilfunknetzen, ärmlichen Containerhäusern und vor allem erschreckend vieler Obdachloser waren offensichtlich ein zutreffender Ausschnitt aus der Realität. Das 21. Jahrhundert wird wohl nicht den USA gehören. Besuchen Sie Amerika, solange es noch steht!

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