Donnerstag, 29. Juli 2010

Auf nach Phoenix (5)




Fotos: Am Hochplateau der Palm Springs Aerial Tramway

Der nächste Tag beginnt dann für mich früh. Beim Frühstück sinkt dann auch die Laune der Kinder deutlich: Das im Frühstücksraum laufende TV-Gerät offenbart 3:0 Zwischenstand im Fussball WM-Spiel Deutschland gegen Argentinien. Dazu passt dann die Qualität des American Breakfast im ohnehin leicht desolaten Comfort Inn: Plastikwegwerfteller, Wegwerfbesteck und –becher sowie Plastik-Wegwerftoast. Als Untermalung erhalten wir das Triumphgeschrei einer deutschen Familie am nahen Fernseher und so dürfen wir auch das 4:0 akustisch miterleben. Zumindest gratis ist das Frühstück, obwohl FTI das nicht so ausweist. Hier hat sich das Fragen an der Rezeption gelohnt.

Und wir lernen, wie man in den USA Waffeln bäckt. Die Masse kommt aus einem eigenen Spender und beim ersten Piepser muss das Waffeleisen gewendet werden, beim zweiten ist die weitgehend geschmacklose, aber leicht knusprige Masse dann fertig. Zumindest gesättigt beginnen wir den Tag und Spanien und Niederlande lauten die neuen Synonyme für Hoffnung.

Sonntag 4.7. 6.00 Uhr Scottsdale / Phoenix, Hospitality Suite Resort

(Heute ist Independence Day. Da er dieses Jahr auf einen Sonntag fällt, ist der darauf folgende Montag ein Feiertag. Eine interessante Praxis von jemandem, der den Europäern permanent vorwirft, zuwenig zu arbeiten. Vor allem aber ist es bereits 6.00Uhr früh, was bedeutet, dass ich tatsächlich fast acht Stunden zusammenhängenden Schlaf hinter mir habe. „I feel good“, heisst das bei James Brown.)

Doch der Reihe nach. Das schmuddelige Comfort Inn – allein der Name verhöhnt den Gast geradezu - hinter uns lassend fahren wir zur Palm Spings Aerial Tramway www.pstramway.com – einer Seilbahn auf den benachbarten 2.600 Meter hohen Berg. 93 $ sind keine Okkasion, da die Kinder bereits voll zahlen, dafür belohnt mich meine Frau mit der anerkennenden Bemerkung, sie sei froh, dass ich nicht mehr so geizig sei.

Die 11 Minuten währende Fahrt ist eindrucksvoll: Es eröffnen sich schöne Blicke auf Palm Spings und das ganze Coachella Valley mit Wüste und geschätzten 200 bis 300 Windrädern, die dem Sprecher des Tonbandes in der Gondel zufolge „eine Menge Haushalte mit Strom versorgen können“. Das nennt man Präzision.

Überhaupt dieses Tonband: Interessante Fakten wechseln sich ab mit den wiederholten Hinweisen auf die Segnungen des Restaurants oben und des Shops unten. Und dann der Hinweis auf die grossartige Leistung von Mr. Francis Crocker, diese Seilbahn, bei der sich die Gondel während der Fahrt zweimal um die eigene Achse dreht, nahezu eigenhändig erbaut zu haben. Und wer hat´s erfunden? Richtig – die Schweizer. De Rolle in Bern gemeinsam mit der Vorarlberger Firma Doppelmayr – wie zwei kleine Tafeln in der Bergstation belegen. Ein wenig Nationalstolz kommt als Trotzreaktion auf – auch wenn Doppelmayr von den Amerikanern in die Schweiz verlagert wurde.

Unten liegt die Wüste mit ein paar tiefliegenden Quellen, die mittlerweile nicht nur Palmen, sondern mehr als 40.000 Einwohner versorgen müssen. Oben ist es erstens nicht mehr 42 Grad heiss, sondern es fühlt sich wie 25 Grad an und es gibt offensichtlich mehr Wasser, denn es bietet sich eine kleine Hochebene mit eindrucksvollen Bäumen zum Rundgang an. Der längere führt über 1,5 Meilen, doch es ist bereits Mittag und 490 Kilometer Autofahrt liegen noch vor uns, also drehen wir vorzeitig um und gehen zurück zur Bergstation. Ausrufe der Kinder, wie cool diese Bäume seien, bezeugen die Attraktivität dieser Landschaft. Wenn ich nur nicht so müde wäre.

Unten das Navigationsgerät neu programmiert und ab nach Arizona. Für dieses Gerät sind wir tatsächlich sehr dankbar – genau genommen wären wir ohne nahezu hilflos. In Europa bewege ich mich weitgehend problemlos überall hin mit der Verwendung von Strassenkarten und Hinweisschildern. Hier jedoch – da die Ausfahrten keine Orts- sondern nur Strassennamen aufweisen – kann dieses System kaum funktionieren.

Und etwas Zweites an diesem 2-Tonnen-Monster Dodge Journey fällt angenehm auf: Die Stereoanlage ist exzellent. Die Instrumente kommen differenziert, die Bässe wummern satt, aber die Höhen werden nicht verschluckt. Dafür komme ich mit der Cruise Control nicht wirklich zurecht. Bergauf kann er sich meistens nicht zwischen den Gängen entscheiden und wenn man einmal auf die Bremse steigt, beschleunigt das Auto auch nicht mehr. Und bremsen muss man doch häufiger, denn das Rechtsfahrgebot gilt hier – wenn überhaupt – nur als sanfter Hinweis. Zum Ausgleich darf man dann rechts überholen, was wiederum ängstlichen Beifahrerinnen weniger behagt.


(Es ist mittlerweile 6.45 Uhr früh, ich sitze vor dem Zimmer in Scottsdale mit Blick auf den Pool, die Sonne kommt bald über den Bäumen hervor und einige ältere Damen schlurfen aus ihren Zimmern, um eine zu rauchen.)

Unerwartet früh – kurz nach 17.00 Uhr – treffen wir in Phoenix ein. Einer Stadt mit etwa 900.000 Einwohnern, die sich aber offensichtlich über Dutzende Meilen erstreckt. Wir sind im Vorort Scottsdale untergebracht und das Hotel Hospitality Suite ist eine echte positive Überraschung. Der Empfang ist freundlich, das Frühstück wieder inkludiert und die Dame weist uns noch darauf hin, dass bis 18.30 Uhr die Drinks an der Poolbar frei seien. Das nennt man wirklich Hospitality.

Also schnell ins Zimmer, das eigentlich ein Apartment ist und zum ersten Mal fühle ich mich bestätigt, bei FTI die bessere Hotelkategorie gewählt zu haben. Der Mai Tai ist zwar stark verbesserungswürdig und wird im Wegwerfbecher ausgegeben, das Poolwasser ist etwa 28 Grad warm, eher schmutzig und somit nach 30 Sekunden wieder Geschichte, aber meine Laune bessert sich dennoch.

Am Pool höre ich dann plötzlich deutsch und tatsächlich ist es die fussballjubelnde Familie aus Palm Springs, bei denen ich mich mit einem „Oh Schande“ als Reaktion auf die Führung Deutschlands vorgestellt habe. Wenn die uns nun eventuell die nächsten 17 Tage begleiten – oh my goodness. Zumindest höre ich den Hinweis mit (Deutsche sind ja oft über grössere Entfernungen gut hörbar), dass nebenan ein Supermarkt sei und tatsächlich geht es sich gerade so aus, dass wir sie mit 50 Meter Respektabstand dorthin verfolgen.

Die Packungen sind wieder mal riesig, aber innerhalb von fünf Minuten nehmen wir alle Mias Vorschlag auf, nicht Essen zu gehen, sondern ganz amerikanisch die Mikrowelle anzuwerfen. Es überrascht niemanden, dass ich der erste Befürworter dieses Vorschlags bin.

Burritos, Pasta und zwei chinesische Gerichte sind unsere Auswahl und ein kleines 1-Liter-Eis als Dessert. Die Mikrowelle ist leistungsschwach, doch irgendwann tauen die Sachen doch auf und zumindest drei von uns sind geradezu begeistert, wie amerikanisch wir hier essen. Die Burritos sind labbrig, aber ok, die chinesischen Gerichte sogar relativ gut, nur die Nudeln mit Käse weisen keinerlei Eigengeschmack auf. Dazu für drei von uns Budweiser Ice, das wir in der kleinsten Grösse von etwa 1 Liter erworben haben und nachher noch vier Strawberry Daiquiri, der – wie sich herausstellt – auf Malzbierbasis hergestellt wird (!?). Sind schon echte Feinschmecker hier.

Dennoch – wir sind gesättigt, guter Laune und in Abstufungen müde bis saumüde. 2 $ für das Zimmermädchen, das den Abwasch machen darf, und ab ins Bett.

(Es ist mittlerweile 7.15 Uhr; der Pool wird gerade gereinigt und ich habe beim Aufblicken am Busch drei Meter vor mir einen Kolibri gesehen. Es verspricht ein guter Tag zu werden. Und vielleicht ist mein Körper nun auch in dieser Zeitzone angekommen.)

1 Kommentar:

  1. Oh ja, die Deutschen....das war ein trauriger Tag. Was für ein Glück, dass die Spanier uns gerächt haben :D (Oh, Emoticon.)

    Sonst merkt man dir deine Freude ja regelrecht an ^-^ (und wieder.)

    ...vorallem über die Stereoanlage- man muss eben Prioritäten setzten, nicht?

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