Mittwoch, 28. Juli 2010

Tag 1 - Anreise von Wien nach Los Angeles


FTI Mietwagen-Rundreise USA Grandioser Westen , Juli 2010

Ein völlig subjektives Reisetagebuch

Samstag 3.7.2010, 2.30 Uhr Palm Spings Comfort Inn


( Es ist gekommen wie erwartet. Ich sitze in einem abgewohnten Hotelzimmer in Palm Springs am Badewannenrand und beginne zu schreiben. Es ist 2.30 Uhr und die Nacht ist seit 30 Minuten zu Ende. Oder anders ausgedrückt nach vier Stunden Schlaf. Ein besoffener Amerikaner wollte noch kurz direkt vor unserer Tür etwas sicher sehr Wichtiges kommunizieren und das reicht dann bei mir, um die Nacht zu beenden. Ich weiss ja, wenn ich wach werde, habe ich ein Problem wieder einzuschlafen und dieses Wissen hält mich dann einigermassen verlässlich wach.)

Genug Zeit also um zurückzublicken. Auf eine stressige Taxifahrt in Wien, da das Taxi von Airportdriver nicht kam. Wie befürchtet dann keine zusammenhängenden Sitze am Flug nach Toronto, dafür wenigstens nicht mehr genug Zeit, um zu Starbucks zu gehen – 20 € gespart. Also sitze ich 8 Stunden 45 Minuten allein am Weg nach Toronto. Nein, nicht wirklich allein, was mir die indische Familie mit dem bewegungsaktiven und antiautoritär erzogenen knapp Zweijährigen sehr bewusst macht. Zur visuellen und vor allem hörbaren Anteilnahme, denn der junge Mann kreischt automatisch, wenn er angeschnallt wird, angesichts der offenbar unzumutbaren Einengung seiner Persönlichkeit, gesellt sich dann noch die olfaktorische. Erschöpft vor lauter Schreien, das angesichts des entstehenden Luftmangels von Husten begleitet wird, kotzt er das zugegeben nicht besonders bekömmliche Essen auf den Boden neben mir. Klein-Indien als exotische Beimischung zur Reise auf einen anderen Kontinent.

Drei erschöpfte Personen, denn seine Mutter darf ich hier durchaus hinzuzählen, landen in Toronto. 20 Uhr MEZ und ich bin seit 17 Stunden wach. An Schlaf ist aber nicht zu denken, denn jetzt wird umgestiegen. Sinnigerweise darf auf der Weiterreise in die USA das Gepäck nicht automatisch durchgecheckt werden. Soweit reicht offensichtlich das Vertrauen in die verweichlichten Europäer nicht und so muss man das Gepäck holen, um es zweihundert Meter später wieder auf das nächste Band zu legen. Aber wir haben ja fast drei Stunden Zeit.

Wir beginnen mit Anstellen bei Air Canada, da aus unerfindlichen Gründen in Wien nur drei statt vier Bordkarten ausgestellt werden konnten. Dabei dürfte es sich allerdings um ein weiter verbreitetes Phänomen gehandelt haben, da ein gutes Dutzend Passagiere vor mir und fast so viele hinter mir auf zwei sehr gelassene kanadische Bodenbeamte treffen. Eine halbe Stunde später und wie sich später herausstellen sollte nun mit zwei Bordkarten für mich und weiterhin keiner für meine Frau widmen wir uns der Suche nach unserem Gepäck. Drei der vier Gepäckstücke haben es in dieser Zeit auch tatsächlich auf das Förderband geschafft; meine Tasche kommt allerdings erst eine Stunde nach der Landung. Warum Kanada als leistungsfähiger Industriestaat gilt, erschliesst sich mir in diesen Minuten nicht vollständig. Aber die Toiletten sind stylish.

Nun heisst es anstellen für die US-Immigration, die bereits in Toronto durchgeführt wird. Das Tempo des Vorrückens ist allerdings kaum messbar und die Schlange sicher 30 Meter lang. Als sie nur noch etwa 20 Meter misst, blicken wir auf die Bordkarten – nur noch 45 Minuten! Das ist Anlass genug für eine Extraportion Nervosität und einen kurzen Abstecher nach vorne an das Ende der Schlange. Beziehungsweise an deren Knick, wie sich herausstellt, auf den noch einmal 20 bis 30 Meter folgen. Ja, Panik.

Die Dame vom Sicherheitsdienst wirkt einigermassen zugänglich und ich schildere mein Problem. Nachdem sie die Bordkarten gecheckt hat, hat sie ein Einsehen, und wir nähern uns dem Vorderteil der Schlange, der sich dann auf die neun Köpfe in Form von US-Schalterbeamten aufteilt (eine moderne Version der griechischen Tragödie?). Offenbar findet unsere Idee neue Anhänger, denn hinten hören wir häufig Verzweifeltes wie „15 Minutes to Take Off“ und ähnliches.

Das macht Mut für einen zweiten Bypass und so stehen wir bald vor Mr. Sanchez am Diplomatenschalter für die besonders Eiligen. Dieser fragt nach Durchsicht der Dokumente allerdings mit zunehmender Verärgerung, warum wir ihn hier belästigen würden. Nun, die Dame dort hat ein Einsehen gehabt, da in weniger als 25 Minuten unser Flug geht. Irrtum, meint Mr. Sanchez nach Blick auf die Bordkarte – dann beginnt das Boarding, denn die angeführte Zeit ist natürlich nicht die Abflugzeit.

Ich teste kurz die Beschaffenheit des Bodens, um darin versinken zu können, aber Mr. Sanchez hilft uns wenigstens bei der Busse, indem er sich extra viel Zeit nimmt. Bitte nochmals diese vier Finger auf das Abtastgerät. Und jetzt nochmals den Daumen. In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen diese vier gleichnamigen Personen denn? Sehen wir vielleicht aus wie vier Brüder? Mia, what is your date of birth und andere wichtige Fragen, die für die innere Sicherheit der USA offensichtlich von fundamentaler Bedeutung sind.

Dann folgt der nochmalige Blick auf unsere Bordkarten. Da fliegen die Töchter Lisa und Mia sowie zweimal René. Das ist zuviel für Mr. Sanchez und er verschwindet für fünf Minuten. Also für gefühlte dreissig Minuten. Er taucht dann aber glücklicherweise nicht mit zwei bulligen Kollegen von der anderen Abteilung, sondern mit einem eigenen Boardingpass für meine Frau wieder auf. Thank you very much indeed, Mr. Sanchez.

So erreichen wir den Flugsteig noch kurz vor dem Boarding, um dann im Flugzeug sukzessive mitzubekommen, dass dies alles einer Gruppe sprachreisender Spanier offensichtlich nicht so elegant wie uns gelungen ist. Und um zu lernen, dass Air Canada-Piloten auf dem Flug in die USA ebenso offensichtlich Kummer gewohnt sind und den Abflug bereitwillig um mehr als 30 Minuten nach hinten verschieben.

Anschliessend nochmals fünf Stunden im Flugzeugsitz, wobei „Clash of the Titans“ gegen die zunehmende Müdigkeit nur wenig Abhilfe schafft. Wer dem Blick von Mr. Sanchez Stand gehalten hat, dem entlockt die Medusa allenfalls noch ein abfälliges Lächeln. Kurzfristig steigt der Adrenalin-Pegel nochmals, als wir bei der Menu-Karte die Preise erblicken, die unsere einzige Verpflegungsmöglichkeit begleiten. 10 Dollar für ein Sandwich und zwei Schokoladen-Cookies. Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, die AUA auf diesem Weg sanieren zu wollen.

Ein leichtes Auftauchen aus der Dämmerung der Müdigkeit bewirkt der Blick aus dem Flugzeugfenster auf LA in der Abendsonne: Das grösste Dorf der Welt, das selbst aus 10 Kilometer Höhe fast von Horizont zu Horizont reicht und irgendwo mitten drinnen 20 oder 30 Hochhäuser, die sich Downtown nennen. Wir sind da.

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