Donnerstag, 29. Juli 2010

Tag 2 - In Los Angeles (3)

(Meine Frau musste nun gerade in Palm Springs für kleine Mädchen und so sitze ich nun wenigstens auf einem Sessel und nicht abwechselnd am Fussboden oder auf bzw. in der Badewanne. Mein bereits schmerzender Rücken wird sich in den nächsten Stunden fortwährend bei ihr bedanken.)

Zurück nach Los Angeles. Die Familie beschliesst, den Tag mit einem Hotelfrühstück zu beginnen. 4 x Tee, 2 x Blueberry Pancakes, 1 x Bagel und noch 2 Croissants für mich, bitte. Und vielen Dank, José, dass sie alle unsere Wünsche erfüllen wollen. Das sind wir von zuhause nicht gewohnt - da ist der formulierte Anspruch geringer.

Der naheliegendste Wunsch nach einem schmackhaften Frühstück scheint allerdings für José unerfüllbar. Meine Croissants sind zäh und mit Sicherheit nicht aus diesem zarten, buttrigen Teig. Die Pancakes sind für die Kinder bestenfalls unter einer dicken Sicht Zuckersirup essbar - und dann erst der Tee. José wässert kurz einen einsamen Teebeutel in einer grossen Thermoskanne, bevor er die vier Häferl einfüllt. Ein leichter Gelbton ist mit etwas Imagination erkennbar. Heisse Zitronenlimonade also für mich und - frei nach Asterix bei den Briten - „Kann ich etwas Milch in mein heisses Wasser haben“ für die anderen drei. Die Kinder kapitulieren doch trotz aller Vorfreude vor den Pancakes. Also 15 Prozent Tip auf die 35 Dollar und haben auch Sie einen great day, José.

15 Dollar Parkgebühr zahlen, den Riesen Dodge mit Mühe einräumen und mir von den Kindern Tipps für das Automatikgetriebe geben lassen: Ja, man kann tatsächlich das Auto nur wieder starten, wenn der Hebel auf Park-Position steht.

Aber jetzt die Eagles - Take it easy. Kalifornischer geht es nicht. Und zum Flughafen, um Carol, unsere Griechenland-Bekannte von vor 21 Jahren, abzuholen und mit ihr zu lunchen.

Wir finden Sie tatsächlich dank Mobiltelefon, denn die dunken, gelockten Haare sind nun blond und glatt. Und hat sie auch damals gelispelt? Jedenfalls ist sie gut gelaunt, amerikanisch kommunikativ und dermassen froh, uns wieder zu sehen. Immerhin haben wir ja vor 21 Jahren gemeinsam einen ganzen Tag auf Naxos verbracht. Sie lebt jetzt allein mit Katze, mit Michael hat sie aber eine Freundschaft aufrechterhalten und beruflich schult sie staatliche Ökonomen.

Ihr Lieblingslokal, in dem schon einmal Jake Gyllenhaal mit Kirsten Dunst sass, wirkt wie eine mediterrane Delikatessenbar und der Thunfisch-Salat ist mässig, aber ordentlich teuer. Carol bekommt aber Prozente, weil sie Mitglied im Klub eines regionalen Radiosenders ist – was immer das für ein Lokal für einen Unterschied machen mag. Jake Gyllenhaal ist diesmal nicht da, aber dafür ist der desolate Parkplatz voll von deutscher Wertarbeit: BMW, Audi, Mercedes, Mini und ein VW Touareg.

Ein kurzer Zwischenstopp im ebenfalls überteuerten Wholefood-Supermarkt und dann bringen wir Carol und ihren Orangensaft heim in ihr Haus an der Miracle Mile. Tatsächlich handelt es sich um eine Art Vorstadtsiedlung mit lauter kleinen und netten bis entzückenden Häuschen, die teilweise sogar aus den 30 Jahren stammen, wie Carol stolz betont. Uns fehlt ein wenig die nötige Ehrfurcht vor dieser imposanten historischen Bedeutung, aber das Haus ist ausgesprochen charmant und wirkt innen eher spanisch-mexikanisch. Alte Möbel, elegante Bögen und eine offensichtlich ob der Einsamkeit schwer verstimmte Perserkatze, die nun 50 Prozent der gesamten Kommunikation übernimmt.

Verabschiedung, Austausch von Freundlichkeiten, ich nehme 20 Prozent der Perserkatze in Form von Haaren an meiner Hose mit und frage mich anschliessend, was den Unterschied zwischen damals einem faszinierenden und unterhaltsamen Tag mit zwei US-Amerikanern und dieser doch etwas bemühten und oberflächlichen Begegnung ausmachte.

Sicher, wir haben kurz über Obama, Bush und Elvis Costello gesprochen, doch da war nicht mehr dieses freundliche Aufeinanderprallen zweier Kulturkreise mit einer gewissen wechselseitigen Faszination. Sind wir nur zu alt, zu gebildet und zu erfahren geworden für ein solches Erlebnis?

Bin ich zu spät dran für diese Reise? 1992 wollten wir sie machen, aber da war dann schon Lisa im Kommen und erst jetzt ist Mia alt genug, um diesen anstrengenden Trip selbst zu wollen. Die Faszination für das Neue ist mit dem zunehmenden Alter geschwunden. Vieles kennt man schon und den Rest übernehmen die Medien.

Aber, hey, dies ist meine Traumreise, die ich schon seit Jahrzehnten machen wollte, und somit wird sie nun auch zu einer Art Test. Einerseits ein Test, ob das Feuer wieder ein wenig auflodern kann und andererseits für die Frage, ob die Vor-den-Kindern-Art des Urlaubs mit langen Autofahrten und vielen Besichtigungen noch passt oder ob sie unbequem sitzt wie die alte, aus Nostalgiegründen aufbewahrte Kleidung aus dieser Zeit (als ich noch 53 kg wog). Mein Geist, mein Bauch und mein Rücken haben sich seither deutlich verändert. Und Meine Frau ist mittlerweile erholungsbedürftiger geworden und vielleicht sogar ich selbst.

1 Kommentar:

  1. Die Enttäuschung über Carol kann ich nicht teilen. Ich war froh darüber, dass von mir an Kommunikation nicht viel mehr als Zuhören gefragt war. Das war mir im Jet-Lag-Taumel anregend genug.

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